„Alle Rücklagen sind aufgebraucht“Kölner Bürgerzentren stehen vor ungewisser Zukunft und fordern Hilfe

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Zu sehen sind sieben Menschen auf einer Treppe stehend in der Vorderansicht.

Von oben links nach unten rechts: Jonathan Sieger (Bürgerzentrum Ehrenfeld), Bernd Naumann vom Nachbarschaftsverein „Quäker“, Kemal Bozay (Bürgerzentrum Mülheim), Bastian Revers (Bürgerzentrum Nippes), Anke Schmitz (Alte Feuerwache Köln), Tina Pfeil (Bürgerzentrum Kalk) und Tobias Kempf (Bürgerzentrum Deutz) vor dem Ehrenfelder Bürgerzentrum.

Der städtische Zuschuss müsste eigentlich bei 6,8 Millionen Euro liegen, damit die Einrichtungen ihre Aufgaben erfüllen können.

Die Kölner Bürgerzentren befürchten, dass sie ihr Angebot für die Menschen im Veedel nicht länger aufrechterhalten können. Grund ist die chronische Unterfinanzierung. Dass es an Geld mangelt, haben die „Kölner Elf“, wie sich der Zusammenschluss der aktuell 14 Bürgerzentren und -häuser in freier und städtischer Trägerschaft nennt, inzwischen schwarz auf weiß.

Zwar habe man die Corona-Pandemie dank der Rettungsschirme alles in allem gut überstanden, sagte am Montag Bernd Naumann, Geschäftsführer des Quäker-Nachbarschaftsheims, bei einem Pressetermin der „Kölner Elf“. Zugleich aber sei zutage getreten, dass sich die Zentren auch schon vor der Pandemie in einer finanziellen Schieflage befunden hätten. Dies war Anlass für die Politik, die Verwaltung um eine realistische Einschätzung des Bedarfs an städtischen Zuschüssen zu bitten. Damit beauftragt wurde das Wissenschaftliche Institut für Beratung und Kommunikation in Paderborn.

Bei Kürzung droht Schließung von Bürgerzentren

Das Ergebnis: Der städtische Zuschuss für alle 14 Häuser, der momentan 3,8 Millionen Euro beträgt, müsste bei 6,8 Millionen Euro liegen, damit die Einrichtungen ihre Aufgaben – darunter soziale Pflichtleistungen der Stadt – dauerhaft im bisherigen Umfang erfüllen können. Die Erhöhung würde unter anderem kompensieren, dass die Energie- und Personalkosten deutlich gestiegen sind. Ohne eine Aufstockung des Zuschusses müssten ganze Aufgabenbereiche gestrichen werden, sagte Naumann. Sollte er sogar gekürzt werden, drohe die Schließung von Häusern.

Zu sehen sind zwei sitzende Männer in der Vorderansicht. Einer von beiden spricht.

Bernd Naumann vom Nachbarschaftsverein „Quäker“ und Jonathan Sieger, Leiter von der „Büze“.

Jonathan Sieger, Leiter des Bürgerzentrums Ehrenfeld, sprach von einem „Damoklesschwert“. Würde es fallen, hätte dies enorme „Folgekosten“ für die Stadtgesellschaft. In den jüngsten Krisen habe sich gezeigt, wie wichtig die „Kölner Elf“ sei. So hätten die Bürgerzentren in der Corona-Zeit zum Beispiel Impfpatenschaften für ältere Menschen ins Leben gerufen, nach dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine Geflüchtete von dort mit sozialen Angeboten willkommen geheißen und sie würden die zunehmende Altersarmut auffangen.

In Zeiten, in denen die Gesellschaft in einem Maße auseinander drifte, das die Demokratie gefährde, komme den Häusern als Orten der Begegnung und des Austauschs der unterschiedlichsten Menschen größere Bedeutung denn je zu. Die Zentren, die jährlich insgesamt rund 1,5 Millionen Besucher und Besucherinnen zählten, sorgten für ein positives „Grundrauschen in den Sozialräumen“.

Bedarf an Unterstützung für Senioren wächst

Tine Pfeil, Leiterin des Bürgerhauses Kalk, sagte, ihr Haus biete Raum für Feiern, Tagungen, Konzerte sowie Theateraufführungen und ermögliche den Menschen aus dem Viertel mit niederschwelligen Angeboten die Teilhabe an Kunst und Kultur. Viele empfänden das Haus wie ein „zweites Wohnzimmer“. Der Bedarf an Unterstützung von Senioren wachse ständig, hob Tobias Kempf, der das Bürgerzentrum Deutz leitet, hervor. In Reaktion darauf sei die Deutzer Tafel für Rentner und Rentnerinnen sowie ein Mittagstisch für Senioren eingerichtet worden. „Wir entwickeln uns mit dem Stadtteil und passen uns den Bedürfnissen an.“

Für die Ehrenfelder Einrichtung, rechnete Sieger vor, betrage der Zuschuss 400.000 Euro. Dies sei der notwendige Grundstock, um Fördermittel vom Land, Bund, von der EU und Stiftungen für die soziale und kulturelle Arbeit zu akquirieren. Das Zentrum bemühe sich um Wirtschaftlichkeit und gehe „sehr gewissenhaft“ mit den Geldern um. „Doch jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir nicht mehr einsparen können. Alle Rücklagen sind aufgebraucht.“ Ohne eine Erhöhung des städtischen Zuschusses drohten drastische Einschnitte sowie die Notwendigkeit, „kommerzieller“ zu werden.

Mit ihrem Anliegen finden die Vertreter der „Kölner Elf“ bei der Stadt Gehör. „Die Verwaltung erkennt, wie wichtig die Häuser sind“, sagte Claudia Düx, Abteilungsleiterin beim Amt für Soziales, Arbeit und Senioren. Die Situation der Häuser sei „prekär“, auch wenn die Zuschüsse, die rund 40 Prozent der Budgets der jeweiligen Einrichtung betragen, nach und nach aufgestockt worden seien, so 2023 um zehn Prozent und für dieses Jahr um knapp vier Prozent. In den laufenden Haushaltsberatungen habe die Verwaltung den höheren Bedarf – jene 6,8 Millionen Euro – angemeldet. Im August solle der Haushalt in den Rat eingebracht werden.

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